Kraft tanken im Fitnessstudio

Nach seiner Einheit auf dem Crosstrainer wirkt Andreas erschöpft, aber glücklich. Jeden Montag kommt er in den Westerburger „Kreuzpunkt“ und strampelt sich auf den Geräten des Fitnessstudios ab – gemeinsam mit 20 anderen Menschen, die ebenfalls unter einer psychischen Erkrankung leiden.Die Gruppe besteht aus Klienten der Tagesstätte des Diakonischen Werks in Westerburg. Anfang 2019 haben die Männer und Frauen einen für sie mutigen Schritt gemacht und sich auf das Abenteuer Fitnessstudio eingelassen.

Anfangs Angst

Astrid Müller-Ax leitet die Tagesstätte und kann verstehen, wenn dieser Schritt für manche Klienten gar nicht so einfach war: „Einige von ihnen hatten anfangs Angst. Für sie war es eine völlig unbekannte Situation – und das ist für Menschen mit psychischer Erkrankung eine besondere Herausforderung: Wer begegnet mir im Fitnessstudio? Falle ich auf? Trage ich das richtige Outfit? Und was muss ich dort überhaupt machen? Das sind Fragen, die ganz schön verunsichern können.“

Behutsames Training

Aber Astrid Müller-Ax und die Klienten gehen die Sache behutsam an. Im geschützten Rahmen der Tagesstätte sprechen sie zunächst über die Themen Fitness und Gesundheit. Das hilft, die ersten Unsicherheiten abzubauen. Als das Training dann beginnt, lösen sich auch die anderen Befürchtungen nach und nach auf. Der Leiter des Studios, Christian Rudolph, führt die Gäste in aller Ruhe an die Geräte heran, sodass jeder und jede im persönlichen Tempo trainieren kann.

Wie gut das tut!

Inzwischen gehen die Klienten ganz selbstverständlich mit Crosstrainer, Rudermaschine und Rückentrainer um, und die Bedenken haben sich ins Gegenteil umgekehrt. „Ich merke, wie gut mir der Sport tut“, sagt beispielsweise Manuela und ist froh, dass ihr das Laufen inzwischen weniger Mühe als noch vor einem Jahr macht. „Ich habe etwas Gewicht verloren und bin beweglicher geworden. Inzwischen freue ich mich am Wochenende regelrecht darauf, montags ins Studio zu gehen.“

Sport statt Couch

Auch Astrid Müller-Ax weiß, wie wichtig Bewegung für die Klienten ist. „In der Tagesstätte fehlen uns einfach die Möglichkeiten, um vernünftig Sport treiben zu können. Dabei merkt man sofort, wie sehr die Menschen von den Übungen profitieren – gerade, wenn wir mit ihnen in Urlaub fahren und längere Wanderungen anstehen. Als es mit dem Projekt losging, haben wir uns einen Spruch eingeprägt: ,Sieben Minuten Bewegung sind besser als sieben Minuten auf der Couch.‘ Inzwischen setzen die Männer und Frauen dieses Motto tatsächlich um.“

Auf Unterstützung angewiesen

Finanziert wurde das erste Jahr des Projektes von der Diakoniegemeinschaft Paulinenstift – allerdings nur ein Jahr lang. 2020 können die Klienten zwar noch im Kreuzpunkt trainieren, auch dank einer Spende über 1000 Euro von Fitnessstudio-Chef Christian Rudolph. „Danach sind wir erneut auf Spenden angewiesen, um das Projekt weiterführen zu können“, sagt Astrid Müller-Ax und ist überzeugt, dass das Geld gut angelegt ist. „Seitdem unsere Leute hier Sport treiben, sagen sie, dass ihr Kopf viel freier ist. Und sie sind mutiger geworden; haben größeren Spaß an Bewegung. Sie wirken zufriedener und nehmen dadurch viel selbstverständlicher am gesellschaftlichen Leben teil.“ Denn montags sind die Männer und Frauen nicht unter sich, sondern teilen sich die Geräte mit den anderen Fitnessstudio-Gästen. „Da gibt’s keinerlei Berührungsängste“, beobachtet Christian Rudolph zufrieden.

Mein Lieblingstag

Auch Andreas fühlt sich im Fitnessstudio inzwischen wie zuhause. Nicht nur, weil es seinem Körper guttut, sagt er, während er sich seine Stirn abtrocknet. „Als es vor einem Jahr losging, fiel mir der Anfang schon noch schwer, aber nach zwei, drei Wochen war‘s dann kein Problem mehr. Inzwischen will ich den Sport nicht mehr missen. Er tut meinen Knochen gut. Und der Montag ist mein Lieblingstag geworden.“ (bon)

Wer das Projekt unterstützen möchte, kann das mit einer Spende tun: Diakonisches Werk Westerwald, Kontonummer DE78 5735 1030 0002 1197 74, Verwendungszweck: Projekt Kreuzpunkt

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